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Hattrick und der Zufall

Oder: Habe eigentlich nur ich Pech?

In diesem Artikel möchte ich mich mit einigen typischen Fehleinschätzungen bezüglich Zufallsereignissen im Allgemeinen, aber auch mit der HT-Matchengine im Speziellen auseinandersetzen.



Vorbemerkung:

Dieser Artikel wurde von mir als Gastschreiber für hattrickblog.de geschrieben und ist am 13. Mai 2007 dort erschienen. Da das Hattrick - Blog von SH-Patrick leider nicht mehr im Internet zu finden ist, und ich hin und wieder auf diesen Artikel angesprochen werde, möchte ich ihn nun auf Hattrick Press wieder veröffentlichen. Die im folgenden getroffenen Aussagen bezogen sich auf den Stand der Hattrick-Engine von 2007, in den mit Zahlen gekennzeichneten Fußnoten am Ende des Artikels gehe ich auf die nicht mehr ganz korrekten Passagen ein.




Der Zufall in der Spielberechnung

Das Wichtigste vorne weg: Es gibt in Hattrick praktisch kein Spiel (ich nehme mal 0-0-10 Aufstellungen (1) o.ä. raus), bei dem eine Mannschaft zu 100% gewinnt. Dies ist nicht nur realistisch, sondern sorgt eben dafür, dass jeder Spieltag eine gewisse Spannung erhält. Dies hat natürlich zur Folge, dass nicht immer die stärkere Mannschaft gewinnt.

Aber heißt das nun, dass es egal ist wie man aufstellt? Nein!
Die Aufgabe des Managers bei der Aufstellungswahl ist, die Aufstellung herauszufinden, bei der man die höchste Siegwahrscheinlichkeit hat und diese dann noch mit langfristig gedachten Nebenbedingungen (Training, PIC-MOTS-Strategie etc.) zu verfeinern. Denn über einen längeren Zeitraum betrachtet verhalten sich die Ergebnisse ungefähr so wie die Wahrscheinlichkeiten (Gesetz der großen Zahlen).

Viele Manager haben da eine völlig falsche Erwartungshaltung, die aber ein typisches Phänomen im Zusammenhang mit Ereignissen die gewissen Wahrscheinlichkeiten unterliegen. Nehmen wir mal an, Team A ist deutlich überlegen, sagen wir mit einer Siegwahrscheinlichkeit von 80%. Ist es nun Pech, wenn Team A trotzdem das Spiel verliert? Irgendwie schon. Ist es aber immer noch Pech, wenn Team A von 10 solchen Spielen 8 gewinnt, einmal Unentschieden spielt und einmal verliert? Eher nein.

Das „Tank vs Spearman“ Problem

Gerne wird von Kritikern der Matchengine dann irgendein x-beliebiges Spiel gepostet, bei dem die klar unterlegene Mannschaft gewonnen hat, sozusagen als Beweis, dass die Matchengine nicht richtig funktioniert. Ihnen ist dabei gar nicht bewusst, dass sie damit eher beweisen, dass es gar kein Problem gibt. Denn es wäre etwas nicht in Ordnung, wenn es solche Spiele nicht geben würde, denn auch Ereignisse mit sehr niedrigen Wahrscheinlichkeiten müssen irgendwann mal eintreten. Denn wenn etwas mit 1% Wahrscheinlichkeit eintritt, dann heißt das, dass es von 1000 Spielen im Schnitt in 10 Spielen passiert.

Ich mache dies mal an einem anderen Beispiel deutlich. Ich spiele gerne die Spiele der Civilization-Reihe. In Teil III waren die Stärken der Einheiten so verteilt, dass ein Panzer gegen einen antiken Speerkämpfer in 99% der Fälle einen Kampf gewann. Dies heißt aber eben, dass, wenn man nur oft genug spielt, man öfter mal einen Speerkämpfer gegen einen Panzer gewinnen sieht. Dann wurde sich natürlich auch in Internetforen beschwert, dass dies andauernd passieren würde und die Korrektheit der Kampfengine angezweifelt. Dort konnte man leichter als in Hattrick Kämpfe simulieren und stellte natürlich fest, dass alles so funktionierte wie es sollte.

Dies zeigte aber zwei grundsätzliche Probleme:

- Eine verzerrte Wahrnehmung: Wenn mal etwas Seltenes eintritt, dann merkt man sich dies viel eher, als alle Fälle in denen das Ergebnis in Ordnung ging. Wenn man 5 Speerkämpfer gewinnen sieht, so vergisst man leicht, dass man vielleicht 495 mal den Panzer gewinnen gesehen hat.

- Eine falsche Erwartungshaltung: Es gab natürlich auch viele Leute, die gesagt haben: Das darf nie passieren. Solche Leute gibt es natürlich in Hattrick auch, die fordern dass die Matchengine an ihre Wünsche angepasst wird. Die Engine ist aber nun mal so gestrickt, dass es keine Sieggarantien gibt.

Überlegenheit zahlt sich aus

Die Hattrick-Matchengine ist gar nicht so „böse“ zur überlegenen Mannschaft, wie manche Leute glauben. Der eine wichtige Punkt hierbei ist, dass es manchmal gar nicht leicht ist zu entscheiden, welche Mannschaft denn nun überhaupt überlegen ist. Die Engine belohnt die Mannschaft, die Überlegenheit im Mittelfeld oder im Vergleich einer Angriffs- zur entsprechenden Abwehrseite hat. Sowohl die Chancenverteilung als auch die Chancenverwertung verhalten sich nämlich nicht linear zu den relativen Ratings. Soll heißen: Mit 60% Ballbesitz bekommt man im Schnitt mehr als 60% der Chancen (zwischen 75 und 80%) und ist eine Abwehrseite im Vergleich zur entsprechenden Angriffsseite etwa doppelt so stark (also 66% der Gesamtstärke) so verhindert man im Schnitt sogar mehr als 85 % der Torchancen. Dadurch wird die überlegenere Mannschaft über die reinen Prozentzahlen der Ratings stärker bevorteilt, was dafür sorgt, dass eben die stärkere Mannschaft ziemlich oft auch gewinnt. (2)

Zufall verhält sich zufällig

Dies hört sich eigentlich selbstverständlich an, aber ich werde dies mal an einem HT-Beispiel verdeutlichen. Nehmen wir mal an Team A hat über die gesamte Spieldauer 50% Ballbesitz. Das heißt der Erwartungswert, wie viele Chancen Team A bekommt beträgt 5. Aber was heißt das jetzt? Viele Personen bewerten diesen statistischen Wert zu hoch und erwarten, dass man sehr oft 5 Chancen und ab und zu 4 oder 6 bekommt, aber selten 3 oder weniger bzw. 7 oder mehr.
Da die Chancen wohl unabhängig voneinander verteilt werden, haben wir es mit einer Binomialverteilung zu tun. Die Wahrscheinlichkeit für genau 5 Chancen beträgt ungefähr 24,6 %, tritt also nur in knapp einem Viertel solcher Spiele auf. 4 bzw. 6 Chancen haben eine Wahrscheinlichkeit von je 20,5%. Dies heißt, das in ungefähr einem Drittel solcher Spiele (34,4%) die eher als extrem angesehene Verteilung, dass eine Mannschaft 7 oder mehr Chancen bekommt, eintritt. Dies ist also alles andere als selten. Sogar die Wahrscheinlichkeit, dass eine Mannschaft 9 oder 10 Chancen bekommt ist immerhin 2%! (3)

Ratings fehlinterpretiert

Um festzustellen, ob man Pech hatte, muss man erstmal die Siegwahrscheinlichkeit kennen. Dies ist eigentlich das größte Problem, denn so ganz genau weiß eigentlich keiner, wie die Engine funktioniert. Wenn man nun aber feststellt, dass die Spiele ständig (über einen längeren Zeitraum) anders ausgehen, als man es erwartet, so gibt es zwei Möglichkeiten:

- Es gibt eine Verschwörung gegen einen
- Die Engine funktioniert anders als der Manager gedacht hat

Manche Manager neigen dazu, die erstere Variante für richtig zu halten, letzteres ist aber wohl eher der Fall. Oder wie HT-Björn schon mal so treffend sagte: “9 out of 10 situations when people blame their loss on bad luck, it was actually the result of insufficient understanding of the game engine.” Wer also nicht gewillt ist, sein Bild von der Funktionsweise der Engine anzupassen, der wird langfristig nicht erfolgreich spielen können, denn Lernfähigkeit und Anpassungsfähigkeit gehören zu den Eigenschaften eines guten Managers. Ein typischer Fehler dabei ist die Annahme, dass man mit 40% Ballbesitz 40% der Chancen bekommt, was aber, wie ich oben bereits ausgeführt habe, falsch ist. Über die Ratings und insbesondere über die Schwierigkeit, wie diese zu lesen sind bzw. wie man überhaupt herausfindet, wie groß die Siegwahrscheinlichkeiten der eigenen Mannschaft sind, könnte man einen eigenen Blogbeitrag schreiben. Ich gehe daher hier nur auf vereinzelte Fehler im Umgang mit den Ratings ein.

Zum einen sind die Ratings Durchschnittswerte über die 90 Minuten, bilden also nicht zwingend die Ratings zum Zeitpunkt der Tore ab. Zusätzlich gibt es auch noch einige Sachen, die die Gewinnwahrscheinlichkeit beeinflussen, die nicht in den Ratings stehen. Dazu gehören z.B. Fähigkeit des Standardschützen, Torwartfähigkeit und Spezialeigenschaften.

Aber auch z.B. das Selbstvertrauen. Das wohl am häufigsten falsch eingeschätzte HT-Match ist das berühmte Sydney Uni Spiel (Matchid= 14009189). Die Heimmannschaft war auf allen Seiten deutlich überlegen, verlor aber durch ein Ecken-SE mit 0:1. Dies wurde lange Zeit in den Foren als Beweis, dass in Hattrick alles passieren kann, benutzt. Aber die Wahrscheinlichkeit eines Auswärtssieges war gar nicht so gering wie allgemein gedacht. Die Heimmannschaft hatte nämlich nach üblen Niederlagen zuvor ein sehr geringes Selbstvertrauen. Und wie schon in den Regeln steht, man wird mit miesem Selbstvertrauen normale Chancen kaum verwerten (SEs und Standards scheinen davon ausgenommen). Damit ist ein 0:0 nach normalen Chancen gar nicht so unwahrscheinlich, so dass ein Auswärtssieg durch ein SE wiederum nicht so unwahrscheinlich ist. (4)

Dazu noch ein paar kleine Anmerkungen: Es gibt leider noch keine Statistik über die genauen Auswirkungen des Selbstvertrauens, insbesondere im Bereich „nicht vorhanden“ (welches wohl auch, im Gegensatz zur gleichnamigen Skillstufe, Subbereiche hat). Daher wird obige Theorie auch von manchen Managern angezweifelt, es würde aber so manches merkwürdiges Ergebnis erklären. Mein Hauptaussage mit diesem Beispiel soll sein, dass wir längst noch nicht wissen, wie die Engine genau rechnet und daher so manches Spiel, was auf den ersten Blick wie Pech aussieht, sogar ein völlig logisches Ergebnis sein könnte.

Man sollte sich also als Manager fragen, ob man nicht noch etwas über die Engine lernen kann, bevor man denkt, dass sie fehlerhaft ist.

Verletzungen

Ein weiterer Punkt, bei dem der Zufall eine Rolle spielt sind z.B. Verletzungen. Graf Ete (heute LA-Svegas (5) ) hatte in einer Studie den Wert von 0,54 Verletzungen pro Spiel herausgefunden. Das heißt im Schnitt hat man pro Saison (30 Spiele) im Schnitt 7-8 eigene Verletzungen. Man sollte also als guter Manager darauf gefasst sein, dass es auch mal einen der besseren Spieler trifft. Wer also seine Ratings aus wenigen Monsterspielern bezieht, der geht ein hohes Risiko. Eine Strategie, die darauf angelegt ist, dass sich bestimmte Spieler nicht verletzen oder keine Formkrise haben, ist eigentlich von vornherein zum Scheitern verurteilt. Klar sind im Endeffekt die Verletzungen nicht „fair“ verteilt. Man selbst hat vielleicht mal eine Saison wo es die besten Spieler trifft, während der Ligakonkurrent fast ungeschoren davon kommt. In einer anderen Saison ist es vielleicht umgekehrt. Die Güte eines Managers bezieht sich nicht zuletzt daraus, wie er mit solchen Situationen umgehen kann.

Fazit

Natürlich kann der Zufall dafür sorgen, dass ein schlechterer Manager kurzzeitig erfolgreicher ist, als ein besserer und evtl. diesem mal einen Aufstieg wegschnappt. Meiner Meinung besteht aber auch der langfristige Reiz von Hattrick darin, dass man ständig neue Herausforderungen hat. Jedes Team hat mal Situationen, in denen es schlecht läuft, wo Formtiefs, Verletzungen und unglückliche Niederlagen zusammentreffen. Ein guter Manager meistert solche Situationen und überholt die anderen wieder. Hattrick ist ein langfristiges Spiel, Glück und Pech gleichen sich irgendwann aus. Langfristig hat derjenige Vorteile, der die Wahrscheinlichkeiten kennt und eben auch eher Seltenes mit einkalkuliert. Kurzfristige Ziele werden manchmal durch Pech kaputt gemacht oder Glück hilft einem diese zu erreichen. Bei wöchentlich ungefähr einer Million Spielen in Hattrick ist es klar, dass auch seltene Ergebnisse vorkommen, aber die Mehrzahl der Spiele gehen durchaus so aus, wie sie ausgehen sollen. Aber eben „Sollen“ im Sinne der Engine, nicht immer deckt sich die Art und Weise wie diese rechnet mit dem wie es der Manager erwartet. Und insbesondere wird der Zufallseinfluss in der Engine von vielen Managern überschätzt.



Fußnoten Stand August 2012:

(1) Zum Zeitpunkt des Erscheinen des Artikels war es noch möglich mit 10 Stürmern zu spielen, was aber nicht sehr empfehlenswert war...

(2) Damals gab es in jedem Spiel exakt 10 Torchancen (ohne SEs). Heute kann es zwischen 5 und 15 geben, der Erwartungswert für die Anzahl der Chancen ist allerdings immer noch 10.

(3) Seit der Einführung der 'exklusiven Chancen' sind die Zahlen nicht mehr korrekt, die Chancenverteilung liegt leicht näher am Erwartungswert. Die Tendenz ist allerdings immer noch gleich.

(4) Inzwischen ist das genannte Extrembeispiel so nicht mehr möglich, da inzwischen Effekte wie Selbstvertrauen, Verwirrung etc. auch in den Ratings abgebildet werden. Wie bereits erwähnt, gibt es allerdings immer noch Faktoren, die nicht direkt in den Ratings stehen, wie z.B. Spezialfähigkeiten und Fähigkeit des Standardschützen

(5) heute GM-Graf Ete



Nachwort (August 2012):

Auch wenn sich manche Fakten inzwischen geändert haben, das Prinzip der Hattrick-Match-Engine ist immer noch sehr ähnlich. Daher denke ich, dass die grundsätzlichen Aussagen im Artikel nicht an Aktualität verloren haben.

2012-08-13 07:21:37, 3264 views

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